Eine Totalsynthese der Banater Geschichte von der Antike bis in die Gegenwart

Die Neuerscheinung „Geschichte des Banats“ in Bukarest vorgestellt

O istorie a Banatului. Compendiu. 2. Auflage, herausgegeben von Ioan Bolovan und Rudolf Gräf. Verlag Şcoala Ardeleană: Klausenburg, 2023, 676 Seiten, ISBN: 9786303140544

Prof. Dr. Rudolf Gräf stellte das neue Buch im Bukarester Geschichtsinstitut „Nicolae Iorga“ vor. Foto: die Verfasserin

Mitte dieses Monats ist das von der Rumänischen Akademie herausgegebene, von Prof. Ioan Bolovan und Prof. Dr. Rudolf Gräf koordinierte Buch „O istorie a Banatului. Compendiu.“ (Geschichte Banats. Kompendium) im Bukarester Geschichtsinstitut „Nicolae Iorga“ im Beisein einiger der Autoren, vorgestellt worden. Das Buch ist Ende vorigen Jahres anlässlich des Kulturhauptstadtjahres Temeswar mit einem Wort der Wertschätzung des Vorsitzenden der Rumänischen Akademie Dr. Ioan-Aurel Pop und einem Vorwort von Akad. Dan Dubină erschienen und ist dem verstorbenen Prof. Dr. Nicolae Bocşan gewidmet, der einen wesentlichen Beitrag für die Entstehung des Bandes geleistet hatte. 

Der Band soll auch in deutscher Sprache im Peter-Lang-Verlag veröffentlicht werden, sobald er übersetzt ist.

Dr. Mioara Anton, Direktorin des Geschichtsinstituts „Nicolae Iorga“ in Bukarest, war nicht nur Gastgeberin, sondern auch Moderatorin des Ereignisses. Sie begrüßte die Gastredner und Zuhörer und gab einen kurzen Überblick über den Inhalt des Buches. 

Einer der Autoren, Dr. Adrian Magina, Mitglied der Rumänischen Akademie Temeswar, erklärte, der vorliegende Band sei ein Anfang des Vorhabens des Autorenteams. Dies betonte auch der Herausgeber und ebenfalls Autor, Prof. Dr. Rudolf Gräf, Dozent an der „Babeş Bolyai“-Universität, und zählte einige frühere Historiografien des Banats auf, die von italienischen, rumäniendeutschen, ungarischen, serbischen, rumänischen Historikern aus verschiedenen Perspektiven geschrieben wurden. Dr. Magina hob darauf hervor, die vorliegende sei keine Arbeit über Ethnogenese, sondern die erste Totalsynthese der Banater Historiografie. 

Seine Ehefrau, Dr. Livia Magina, ebenfalls Autorin und frische Leiterin des Museums des Bana-ter Berglands in Reschitza erwähnte, dass sich das Buch an ein möglichst breites Publikum richte und nicht nur an Historiker. Außerdem enthält es auch sehr neue Informationen.

Auf den Inhalt des Buches ging Dr. Marian Coman, Dozent an der Geschichtsfakultät der Universität Bukarest, näher ein. Die ersten vier Kapitel des Buches erläutern die Geografie des Banats und seine Geschichte vom Paläolithikum über die Antike, die Zeit der Daker, der Römer, der Völkerwanderungen bis hin zum Jahr 1000. Darin wird laut Dr. Comans Erachtens eine geografische Archivierung historischer Informationen vorgeschlagen. Es gibt zahlreiche Verweise auf Informationen zu archäologischen Stätten, dem römischen Limes, dem Schatzfund von Großsanktnikolaus usw.

Überschneidung geografischer Netzwerke

Dr. Coman wies darauf hin, dass sich der bisherige Ansatz mit Fokus auf die geografische Geschichte des Banats mit dem fünften Kapitel zu einem analytischen Ansatz dessen historischer Geografie verwandelt. Für den Kern des Buches hält er ebenfalls das fünfte und das sechste Kapitel.

Der Verdienst der Autoren dieser beiden Kapitel, des Historikerehepaares Livia und Adrian Magina, beziehungsweise Dr. Rudolf Gräfs und Dr. Sandra Hirschs, sei, dass sie die Metamorphosen der Banater Geografie synthetisch erfasst und gezeigt haben, wie komplex die Beziehungen zwischen dem früheren Banat, dem Banater Bergland und dem modernen Banat seien.

Das fünfte Kapitel schafft es, die sehr fließenden und vielfältigen ‚Geografien‘ des mittelalterlichen Banats vom Jahr 1000 bis zur Habsburgerherrschaft zu verfolgen. Den Autoren gelingt es Dr. Coman zufolge, die gegenseitige Abhängigkeit zwischen politischer, kirchlicher und wirtschaftlicher Geografie aufzuzeigen, allesamt unterschiedliche Geografien mit unterschiedlichen Grenzen, die sich gegenseitig beeinflussen. Ihr zweiter Verdienst ist die diachronische Vorstellung der Art und Weise, wie sich dieses äußerst ausgedehnte geografische Netzwerk im Laufe der Jahrhunderte verändert, zu dem auch das spätere Banat gehören wird. Um das Jahr 1000 sind in dieser Region der Peripherie des lateinischsprachigen Europa ein Benediktinerkloster in Tschanad und ein Zisterzienserkloster urkundlich belegt. „Dies sind einige Netzwerke, die das Gebiet des zukünftigen Banats mit West-europa verbinden, und der Höhepunkt aus der Sicht dieser Zugehörigkeit zu Westeuropa stellt das 14. Jahrhundert dar, als ein Netzwerk aus 200 Pfarreien durch päpstliche Dokumente bezeugt ist“. 

Mit der osmanischen Expansion verankert sich dieses Gebiet in völlig anderen territorialen Netzwerken, ohne dass die vorherigen verschwinden. Es handelt sich vielmehr um eine Überschneidung.“

Verwaltungspolitisches Konstrukt

Dr. Coman erzählte auch, dass eines der faszinierendsten Probleme der Historiografie darin bestehe, zu verstehen, wie bestimmte kurzlebige verwaltungspolitische Konstrukte es schaffen, in der Vorstellung einer Gemeinschaft Wurzeln zu schlagen und dort viel länger zu überleben als die politischen Grenzen, die sie hervorgebracht haben. Das Banat sei ein solches Beispiel.

Im sechsten Kapitel wird deutlich, wie das Banat „erfunden“ wurde. Er betonte weiter, dass in der rumänischen Historiografie nicht genug über die grundlegende Rolle des Friedens von Passarowitz 1718 bei der Definition der geografischen Vorstellungswelt diskutiert werde. Die Habsburger riefen darauf zwei von ihnen definierte und errichtete Regionen ins Leben, nämlich das Banat und Oltenien, die nach einer relativ kurzlebigen Herrschaft von 60, beziehungsweise 20 Jahren für unsere geografische und historische Vorstellung zu zwei besonders wichtigen Regionen werden sollten. 

Dr. Sandra Hirsch fügte hinzu, die Habsburger haben im Banat auch deshalb freie Hand gehabt, weil aufgrund der 164-jährigen osmanischen Herrschaft kein lokaler Adel mehr vorhanden war. Das Banat war wieder aufgebaut worden, Manufakturen errichtet, die Grundsteine einiger Dörfer wurden gelegt, deren Straßenführung bis heute gleich aussieht. Außerdem war der Barockbaustil in die Region eingeführt worden und in dieser Zeit werden nicht nur katholische, sondern auch orthodoxe Kathedralen gebaut. Pläne zur Umgestaltung der Umwelt wandeln die Sümpfe rund um Temeswar in Ackerland oder Wohngebiete für die neuen Siedler, die Fachleute in verschiedenen Bereichen wie Landwirtschaft, Bergbau, Handwerk benötigen, die aus dem habsburgischen Reich ins Banat eingezogen waren.

Prof. Dr. Rudolf Gräf ergänzte, die Eroberung durch die Habsburger brachte neben einer administrativen Neuordnung der Provinz, einer Industrie- und Wirtschaftsorganisierung, auch die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit sich, die plötzlich einem anderen Organisationsstil, einer anderen Art der Verwaltung, der Finanzverwaltung und der Besteuerung unterworfen worden war.

Dr. Coman erwähnte weiter, dass die regionale Zugehörigkeit der Einwohner, die sich als „b²n²]ean“ (Banater) bezeichneten, kurz darauf historisch belegt wurde. Dieses Wort gelangte um 1800 ins Rumänische, während die Bezeichnung „oltean“ (Oltenier) erst später, um 1840, in die rumänische Sprache eindrang.

Verlorene Heimat

In den Kapiteln, die der zeitgenössischen Geschichte des Banats gewidmet sind, gibt es zwei rote Fäden, erstens die institutionelle Ebene der im 20. Jahrhundert entstandenen Institutionen wie etwa das Banater Museum, die West-Universität usw., welche die Beständigkeit des Banats als historische und geografische Region in der rumänischen kollektiven Vorstellung aufbewahren und die Verschleppung der Banater Schwaben in die UdSSR nach dem Zweiten Weltkrieg sowie in die Bărăgan-Ebene in den 1950ern. Im letzteren Fall wird das Banat als verlorene Heimat empfunden. Laut Dr. Marian Coman festigt dies die Kontinuität des Banats als eigenständige Region in der historischen Geografie Rumäniens bis in die Gegenwart.

Friedliches Zusammenleben

Ein anderer Gastredner, Thomas [indilariu, selbst Historiker und Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen an der Regierung Rumäniens (DRI), freute sich über den umfassenden Ansatz der Autoren, „denn was das kulturelle Erbe einer Region ausmacht, ist das Ergebnis des Zusammenlebens von Mehrheit und Minderheit und der wertvollste Aspekt in unserem Land sind die guten nachbarschaftlichen Beziehungen jenseits ethnischer und konfessioneller Zugehörigkeit im europäischen Geist, lange bevor dieser Begriff im Westen erfunden wurde“.

Dr. Rudolf Gräf führte das Thema des Vorredners fort und hob hervor, das friedliche Zusammenleben im Banat sei der Kern des Buches und der Banater Geschichte selbst. Ihm zufolge habe dies auch eine Erklärung. „Als die Habsburger das Banat eroberten, schrieb der Feldherr Prinz Eugen von Savoyen dem österreichischen Kaiser Leopold I., er solle die Adelsgüter nicht zurückgeben und die Rechte des Adels aus der Zeit vor 1526 nicht wiederherstellen, da diese Adligen weder Steuern zahlen noch Militärdienst in Anspruch nehmen wollten. Somit kennt diese Provinz, im Gegensatz zu Siebenbürgen, keine privilegierten Stände. Dies schafft die Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Ethnien und Konfessionen“, das bis in die Gegenwart reicht.